Bagger im Steinbruch beim Abbau von Naturgips
(Quelle: Knauf)

AusbauNews 6. September 2023 Die Gipsversorgung ist in Gefahr

Seit geraumer Zeit weisen die Herstellerverbände darauf hin, dass mit dem Ausstieg aus der Kohleverstromung auch die Versorgung mit sicherem REA-Gips wegfällt. Dem Bau und anderen Wirtschaftsbereichen droht dann eine Versorgungslücke erheblichem Ausmaßes. Der Verband für Dämmsysteme, Putz und Mörtel (VDPM) und der Bundesverband der Gipsindustrie (BVG) untermauern ihre Forderungen nun anhand eines Gutachtens.

Die Gipslücke wird gewaltig. Neue Quellen müssen her. (Quelle: BV Gipsindustrie)

Das Kohleausstiegsgesetz (KVBG) sieht ein Ende der Kohleverstromung bis spätestens 2038 bzw. optional schon bis 2035 vor. Bis dahin wird sich das Angebot an REA-Gips, welcher als Nebenprodukt der Kohleverstromung entsteht, weiterhin massiv verknappen und letztendlich komplett ausbleiben. Ein nochmaliges Vorziehen des Kohleausstiegs bis „idealerweise 2030“, wie im Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien vorgesehen, würde das REA-Gips-Angebot, welches derzeit ca. 40 % des Rohstoffbedarfs deckt, noch schneller reduzieren. Der Vorsitzende des Bundesverbands der Gipsindustrie, Thomas Bremer, fordert daher: „Bund und Länder müssen endlich konkrete Lösungsansätze präsentieren! Wir benötigen zusätzliche Planungsflächen, um die Rohstoffversorgung mit Gips in Deutschland weiter sichern zu können.“

Auch eine umfangreiche Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young (EY) im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz hat ergeben, dass die Versorgung mit Gipsrohstoffen über die nächsten 25+ Jahre gefährdet ist. Demnach kommt EY zu der Handlungsempfehlung, dass im Rahmen des Wegfalls von REA-Gips wieder verstärkt Primärrohstoffe in Form von Naturgips eingesetzt werden müssen. Bremer sagte dazu: „Nun attestieren auch unabhängige Gutachter, dass die langfristige Versorgung mit unseren Gipsrohstoffen gefährdet ist und bestätigen, dass in Zukunft mehr Naturgips eingesetzt werden muss. Die Problemlage ist erkannt, nun müssen politische Taten folgen.“

Die Industrie fordert die Politik zu raschem Handeln auf

Einer Bestandsaufnahme der Staatlichen Geologischen Dienste zu Gipsvorkommen in Deutschland zufolge, ist der Rohstoff Gips hierzulande in großen Mengen vorhanden. Könnten diese Vorkommen umweltschonend erschlossen werden, ließe sich die Versorgungslücke langfristig schließen. Häufig wird die inländische Rohstoffgewinnung jedoch erschwert oder verhindert. Im Bericht heißt es dazu wörtlich: „Im Vorfeld einer industriellen Nutzung sind Bund und Länder gefragt, die Erkundung neuer Gipslagerstätten zu befürworten und aktiv zu unterstützen.“

Deshalb fordert die Industrie von jenen Bundesländern, in denen es nachweislich Naturgipsvorkommen gibt:

  • Eine bedarfsunabhängige sowie langfristige Ausweisung neuer Flächen für die Naturgipsgewinnung in der jeweiligen Raumordnung.
  • Die grundsätzliche Ausweisung von Flächen für die Gewinnung von Naturgips unter Tage durch die Berücksichtigung in der Raumordnung.
  • Feste Regelungen für die umweltverträgliche Gewinnung von Gipsgestein auch in – für die Förderung der Biodiversität sinnvollen – Teilbereichen von Schutzgebieten.
  • Die Fortschreibung der dafür notwendigen gesetzlichen Rahmenbedingungen.

Wohnungsbauziele ohne Gips nicht erreichbar

Grafik zukünftige Zusammensetzung Gips-Rohstoffmix
Gips-Rohstoffmix in Deutschland 2020-20240 bei einem potenziellen Kohleausstieg 2030

Vor dem Hintergrund der im Koalitionsvertrag vereinbarten ambitionierten Ziele im Wohnungsbau (400.000 zusätzliche Wohnungen pro Jahr), der steigenden Notwendigkeit energetischer Modernisierungen sowie des Ausbaus und Erhalts der Infrastruktur und erneuerbarer Energien wird der Rohstoffbedarf der gipsverarbeitenden Industrien bis 2040 realistisch mindestens auf dem hohen Niveau von rund 10 Mio. Tonnen verbleiben. Der VDPM-Vorstandsvorsitzende Christoph Dorn sagte dazu: „Fehlender Gips wird die Wohnungsbaupläne der Bundesregierung platzen lassen. Wir müssen dringend mehr Naturgips abbauen, andernfalls entsteht eine Versorgungslücke. Dafür braucht es die Unterstützung der Politik.“

Recycling-Gips und andere Baustoffe können den notwendigen Bedarf nicht decken Gipsbaustoffe können grundsätzlich immer wieder recycelt werden und die Industrie führt derzeit alle verfügbaren Mengen wieder der Kreislaufwirtschaft zu. Dennoch kann Recycling-Gips die entstehende Lücke in der Rohstoffversorgung auf absehbare Zeit nicht füllen. Das liegt vor allem an der begrenzten Menge recycelbarer Gipsabfälle. Um die Potenziale des Gips-Recyclings zu heben, muss die Bundesregierung nach Ansicht der Industrie die dringend notwendige Rechtssicherheit für den Einsatz von Recycling-Gips herstellen. Aber selbst dann, wenn diese Hürden gesenkt werden, würde dies mengenmäßig nicht ausreichen, um den Wegfall von REA-Gips zu kompensieren. Auch andere Baustoffe, wie z. B. Lehm, der gleichermaßen im übertägigen Abbau gewonnen wird, können den Bedarf nicht decken, wie eine Studie der Hochschule Rosenheim belegt.

zuletzt editiert am 06.09.2023