In einer alternden und zunehmend diversifizierten Gesellschaft gewinnt die Barrierefreiheit in allen Lebensbereichen an Bedeutung. Dieses betrifft auch den Brandschutz, da im Brandfall die Sicherheit aller Menschen berücksichtigt werden muss, unabhängig von körperlichen Einschränkungen. Der Beitrag zeigt, wie rechtliche Grundlagen, technische Normen und individuelle Planung zusammenspielen müssen, um Menschen mit Behinderungen eine gleichwertige Sicherheit zu bieten. Im Fokus stehen u. a. gesetzliche Vorgaben, normbasierte Anforderungen und praxisnahe Konzepte zur Evakuierung und Alarmierung. Planende erfahren, wie sich funktionaler Brandschutz mit Barrierefreiheit vereinbaren lässt.
Barrierefreiheit ist ein zentraler Aspekt der Schaffung einer inklusiven Gesellschaft, in der Menschen mit Behinderungen gleichberechtigten Zugang zu physischen, digitalen und sozialen Lebensbereichen haben.
Barrierefreiheit im rechtlichen Rahmen
Auf nationaler Ebene wurden die Rechte von Menschen mit Behinderungen in Art. 3 Abs. 3 Satz 2 des Grundgesetzes festgeschrieben, wonach niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden darf. Zur Beseitigung bzw. Verhinderung solcher Benachteiligungen sowie zur Gewährleistung der gleichberechtigten Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am Leben in der Gesellschaft dient das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG). Es soll zudem eine selbstbestimmte Lebensführung ermöglichen. In § 4 BGG wird Barrierefreiheit wie folgt definiert:
„Barrierefrei sind bauliche […] Anlagen […] sowie andere gestaltete Lebensbereiche, wenn sie für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise , ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sind."
In § 50 MBO wird dann festgelegt, welche baulichen Anlagen barrierefrei nach § 2 Abs. 9 MBO zu errichten sind. § 50 Abs. 1 MBO bezieht sich auf den Wohnbereich und reguliert die Zahl barrierefreier Wohnungen sowie welche Bereiche dieser Wohnungen barrierefrei zu gestalten sind. Der Geltungsbereich des § 50 Abs. 2 MBO umfasst öffentlich zugängliche Gebäude, die in den dem allgemeinen Besucher- und Benutzerverkehr dienenden Teilen barrierefrei sein müssen.
Die unterstrichenen Textpassagen des Gesetzestextes bilden die vier Grundpfeiler bzw. Schutzziele der Barrierefreiheit.
Die Definition barrierefreier baulicher Anlagen und die Umsetzung der zuvor beschriebenen Grundpfeiler bzw. Schutzziele der Barrierefreiheit aus § 4 BGG erfolgen, je nach Umsetzungsstand, über § 2 Abs. 9 MBO in den Bauordnungen der Länder. In der DIN-Reihe 18040 wird definiert, unter welchen Voraussetzungen bauliche Anlagen barrierefrei sind. Für die barrierefreie Planung, Ausführung und Ausstattung von öffentlich zugänglichen Gebäuden dient die DIN 18040-1:2010-10 als Grundlage. Bei Wohnungen sowie Gebäuden mit Wohnung ist die DIN 18040-2:2011-09 zu beachten.
In den beiden vorgenannten Normen werden auch jeweils die Anforderungen an die Außenanlagen beschrieben. Sie sind über die (Muster-)Verwaltungsvorschriften Technische Baubestimmungen (MVV TB), je nach Stand der Umsetzung, in den Bundesländern in meist unterschiedlichem Umfang eingeführt.
Aus der (eingeschränkten) Einführung der beiden zuvor genannten Normen über die VV TB der Länder ergibt sich eine bauordnungsrechtliche Korrelation zwischen den beiden Fachdisziplinen Barrierefreiheit und Brandschutz. Die barrierefreie Gestaltung von Arbeitsstätten fällt in den Anwendungsbereich der ASR V3a.2.
Grundlagen der Korrelation von Brandschutz und Barrierefreiheit
Wie der Brandschutz wird auch die Barrierefreiheit eines Gebäudes über eine schutzzielorientierte Konzeption nachgewiesen. Die einzelnen Abschnitte der DIN-Reihe 18040 nennen i. d. R. zunächst jeweils auszuführende Schutzziele als Voraussetzung für die Barrierefreiheit. Danach wird anhand von Beispielen dargelegt, wie das Schutzziel erreicht werden kann. Bereits im Anwendungsbereich der DIN wird die Möglichkeit eröffnet, die verfolgten Schutzziele auch auf andere Weise als in der Norm festgelegt zu erfüllen.
Die Abschnitte 4.4 (Warnen/Orientieren/Informieren/Leiten) und 4.7 (Alarmierung und Evakuierung) der DIN 18040-1 korrelieren insbesondere mit dem Brandschutz und werden daher im Folgenden detaillierter betrachtet. In der DIN 18040-2 ist ein Abschnitt 4.7 zur Alarmierung und Evakuierung nicht vorhanden.
In Abschnitt 4.4 der DIN 18040-1 für öffentlich zugängliche Gebäude wird als übergeordnetes Schutzziel definiert, dass Informationen für die Gebäudenutzung auch für Menschen mit sensorischen Einschränkungen geeignet wahrnehmbar sein müssen. Die Vermittlung von wichtigen Informationen (Warnen/Orientieren/Informieren/Leiten) muss daher über mindestens zwei Sinne erfolgen (Zwei-Sinne-Prinzip). Dies ist in der brandschutztechnischen Konzeption beispielsweise in Bezug auf erforderliche Alarmierungseinrichtungen zu beachten.
Das explizite Erfordernis, die Belange von Menschen mit sensorischen Einschränkungen in Brandschutzkonzepten zu berücksichtigen, ergibt sich dann weiter aus Abschnitt 4.7 der DIN 18040-1. Beispielhaft wird angeführt, dass eine zusätzliche visuelle Wahrnehmbarkeit akustischer Alarm- und Warnsignale vor allem in Räumen, in denen sich Hörgeschädigte allein aufhalten können, z. B. WC-Räume, sichergestellt werden muss. Wie eingangs beschrieben, kann das Erreichen des übergeordneten Schutzziels auch auf andere Weise nachgewiesen werden, was gegebenenfalls einer objektspezifischen Betrachtung bedarf.

Auch die Belange von Menschen mit motorischen Einschränkungen sind entsprechend Abschnitt 4.7 der DIN 18040-1 im Brandschutzkonzept zu bedenken. Als beispielhafte Umsetzung der Schutzzielanforderung wird dazu in der Norm die Bereitstellung sicherer Bereiche für den Zwischenaufenthalt genannt. Auch diesbezüglich kann zur gleichwertigen Schutzzielerfüllung eine Betrachtung des spezifischen Gebäudes mit individuellen Lösungsansätzen sinnvoll sein.
Alternativ können nach Abschnitt 4.7 der DIN 18040-1 beispielsweise betriebliche und/oder organisatorische Vorkehrungen im Zuge der brandschutztechnischen Konzeption definiert werden, um die Belange der Menschen mit motorischen und sensorischen Einschränkungen zu berücksichtigen. [...]
Weiterlesen? Der vollständige Artikel ist in Ausgabe 3.2025 des FeuerTrutz Magazins (Juni 2025) erschienen. Darin geben die Autoren Beispiele für bauliche und technische Lösungen und ziehen ein Fazit.
[1] NA 005-01-11 AA „Barrierefreies Bauen“ im Normenausschuss Bauwesen (NABau) (Oktober 2010). DIN 18040-1:2010-10. Barrierefreies Bauen – Planungsgrundlagen – Teil 1: Öffentlich zugängliche Gebäude. DIN Deutsches Institut für Normung e. V.
[2] NA 005-01-11 AA „Barrierefreies Bauen“ im Normenausschuss Bauwesen (NABau) (September 2009). DIN 18040-2. Barrierefreies Bauen – Planungsgrundlagen – Teil 2: Wohnungen. DIN Deutsches Institut für Normung e. V.
[3] NA 005-01-11 AA „Barrierefreies Bauen“ im Normenausschuss Bauwesen (NABau) (Februar 2023). Entwurf DIN 18040-1:2023-02. Barrierefreies Bauen – Planungsgrundlagen – Teil 1: Öffentlich zugängliche Gebäude. DIN Deutsches Institut für Normung e. V.
[4] Ausschuss für Arbeitsstätten (August 2012, zuletzt geändert GMBI 2023). Technische Regeln für Arbeitsstätten. Barrierefreie Gestaltung von Arbeitsstätten. ASR V3a.2. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin