Das Theater in Heidelberg erfuhr vor ein paar Jahren eine umfassende Sanierung sowie diverse Neubauten. Aufgrund der städtebaulichen Situation stellte gerade die Integration der Neubauten in das Gebäudeensemble eine große bau- und raumakustische Herausforderung dar. In minutiöser Detailarbeit wurden hier interessante akustische wie gestalterische Lösungen entwickelt. (Foto: Thomas Ott, www.o2t.de)
Moderne Neubauten von Opern und Theatern benötigen allein schon aus technischer Sicht meist viel Volumen. Dies mündet dann architektonisch – leider – allzu oft in fragwürdige „Gebäudeklötze“. Wer aber Heidelberg kennt, der weiß, dass sich sein romantischer Charme eben gerade aus der Kleinteiligkeit der Altstadt speist. „Klotzige“ Architektur wäre hier ein Frevel gewesen. Nicht zuletzt deshalb gewann der Entwurf der Architekten Waechter + Waechter aus Darmstadt zur Sanierung und zum teilweisen Neubau des Theaters in Heidelberg den ausgeschriebenen Wettbewerb.
Denn dieser Entwurf fügt die neuen großen Volumen des Theaters sowohl im Straßenraum als auch in der Dachaufsicht harmonisch in das städtebauliche Gefüge und die Maßstäblichkeit der umgebenden Altstadt ein. Wesentliche Inhalte des Projekts waren unter anderem der Neubau eines Theatersaals für Musiktheater, Schauspiel und Tanz, der Neubau eines Orchesterbereichs mit großem Probensaal und Stimmzimmern, der Neubau von drei Probenbühnen, der Neubau von Werkstätten sowie die Sanierung des Alten Saals. Insbesondere die Integration des Neuen Theatersaals in das Gebäudeensemble führte zu einer baulichen Besonderheit, nämlich der rechtwinkligen Anordnung der Bühnen des neuen und alten Saals. Dies wiederum erzwang die Erschließung des Neuen Saals ausschließlich von einer Seite. Die Zuschauer gelangen hier vom Foyer kommend auf einer Art Freitreppe in den Theatersaal.
Die Asymmetrie des Raums zwang zu Maßnahmen zur Schallverteilung

Diese architektonische Besonderheit stellte die akustische Planung vor besondere Herausforderungen. Michael Prüfer vom beauftragten Büro Müller-BBM mit Sitz in Planegg bei München erläutert seine Aufgabenstellung: „Die Geometrie des Raums ist hier nicht wie üblich von der Mittelachse her symmetrisch. Die Seitenwände rechts und links sind aufgrund der Zugangssituation zudem vollständig anders. Das hatte substanzielle Auswirkungen auf die Akustik im Raum.“ Wie konnte also eine gleichmäßige Schallfeldverteilung im Raum bei Einhaltung aller für Schauspiel und Oper relevanten raumakustischen Kenngrößen gelingen? Und wie würde der Raum klingen?
Um die Auswirkungen der räumlichen Asymmetrie auf die Akustik zu untersuchen,
wurde die Schallreflexion an den einzelnen Raumoberflächen hinsichtlich ihrer energetischen zeitlichen und räumlichen Verteilung im Computermodell untersucht. Verschiedene gezielte Schalllenkungsmaßnahmen und gestalterische Möglichkeiten zum Auffüllen von „Lücken“ in der Reflexionsverteilung wurden mit dem Ziel entwickelt, eine möglichst homogene Schallverteilung zu erreichen.

Schon frühzeitig war klar, dass für die von der Bühne aus gesehen linke Wand nur eine Struktur infrage kam, die eine akustisch sinnvolle Schallverteilung ermöglichte. In einem fortwährenden Abstimmungsprozess mit den Architekten entwickelte sich dann die letztlich realisierte Sägezahnstruktur. Sie ruft für den gesamten Zuhörerbereich nützliche Reflexionen hervor und erhöht die akustische Diffusität im Saal. Da auch die Decke zu einem günstig durchmischten Schallfeld beitragen musste, wurde sie aus gestalterischen Gründen ebenso wie die linke Seitenwand ausgebildet. Die sägezahnähnliche Struktur wurde in einer massiven Holzkassettenbauweise vom Innenausbau-/ Schreinerunternehmen Schumann (Altenkirchen) realisiert. Die einzelnen Elemente sind wie geschlossene Kästen aufeinander gestapelt und horizontal mit einer Trennschicht versehen. Jedes Element ist in unterschiedlichen Winkeln geneigt, um eine gleichmäßige Schallverteilung im Raum zu erzielen. „Ebenso wurden die Elemente auch mit einem hohen Flächengewicht ausgebildet, damit tiefe Frequenzen diese nicht anregen können und die Reflexionen auch Schallanteile im tieffrequenten Bereich haben“, erklärt Michael Prüfer.

Ein weiteres Detail war ebenso entscheidend für die Akustik: Aus den Fugen der Elemente wird Licht in den hinteren Bereich des Saals gestrahlt, was die Sägezahnstruktur zusätzlich effektvoll inszeniert. Aus akustischen Gründen mussten diese Lichtfugen aber hinter dem Beleuchtungskörper wieder konstruktiv geschlossen werden. Michael Prüfer: „Wären die Lichtfugen offen geblieben, hätte man einen nicht unerheblichen Helmholtz- Resonator bekommen, der die Nachhallzeiten wieder beeinträchtigt hätte.“
Ein fahrbarer Bühnenrahmen ermöglicht akustische Variabilität
In einer späteren Planungsphase wurden alle bis dahin gewonnenen Ergebnisse nochmals anhand eines Real-Modells vom Saal (Maßstab 1:10) überprüft. Diese vom Bauherrn ausdrücklich gewünschte Vorgehensweise ist zwar aufwendig und bei einem Theater dieser Größe eher ungewöhnlich, aber auch sehr hilfreich bei schwierigen Raumgeometrien. Im Real- Modell konnte z. B. letzte Klarheit über die akustische Kopplung zwischen dem Zuschauerraum und dem Deckenhohlraum, dem sogenannten „Beleuchterhut“, gewonnen werden. Michael Prüfer: „Der Raum funktioniert nur, wenn das Raumvolumen oberhalb der Beleuchterbrücke sinnvoll angekoppelt werden kann.“ Die Erkenntnisse aus dem Real-Modell hatten also direkte Auswirkungen auf die Gestaltung der akustisch offenen und geschlossenen Deckenflächen.

Auch der Bühnenrahmen (Proszenium) wurde in die akustische Gestaltung mit einbezogen. Hintergrund ist die doppelte Nutzung des Neuen Saals sowohl für Schauspiel als auch für Oper. Für die Schauspielnutzung soll der Raum einen relativ kurzen Nachhall (ca. 1 sec) aufweisen und eine hohe Sprachverständlichkeit haben. Die Opernnutzung indes verlangt nach längeren Nachhallzeiten (bei mittleren Frequenzen ca. 1,3 bis 1,5 sec). Ebenso sind eine Reihe weiterer akustischer Aspekte sehr wichtig (hohe „Durchsichtigkeit“, gute Klangmischung, ausgewogene Balance zwischen Sängern und Orchester etc.).
Hierzu wurde ein fahrbarer Portalrahmen für die Bühne entwickelt, der bei Opernnutzung nach hinten gefahren werden kann. Durch die dann entstehenden zusätzlichen Seitenwände, aber auch einen abklappbaren Schallreflektor am oberen Abschluss der Bühne werden so zusätzliche Reflexionsflächen geschaffen, die die akustische Situation für das Orchester und die Zuschauer verbessern. Insbesondere der obere Schallreflektor optimiert den akustischen Kontakt zwischen Orchestergraben und Opernbühne.

Die Nachhallzeit liegt nun vor allem aufgrund des gewählten günstigen Raumvolumens und der gewählten Materialien im Idealbereich für ein kleineres Opernhaus und kennzeichnet ein Opernhaus mit einer guten Klangmischung und Räumlichkeit des Klangs. Um den unterschiedlichen Anforderungen für Schauspiel und Oper gerecht zu werden, wurden auch variable Akustik- Maßnahmen in Form von schallabsorbierenden Vorhängen entwickelt. Sie können umlaufend im sogenannten Beleuchterhut sowie an der Saalrückwand ausgefahren werden. Insgesamt könnenn ca. 300 m² Vorhangfläche ausgefahren werden. Mit ihnen kann bei Schauspiel die Nachhallzeit um ca. 0,2 sec abgesenkt werden sowie die Sprachverständlichkeit werden.
Komplette Entkopplung des Baukörpers plus Raumakustikmaßnahmen

Neben dem Neuen Theatersaal stellte der neue Orchesterprobensaal einen weiteren Schwerpunkt der akustischen Planung im Projekt dar. Der Saal weist ein Volumen von ca. 2.000 m³ auf und kann mithilfe einer doppelten mobilen Trennwand geteilt werden. So können hier gleichzeitig in einem Saal Chorproben und im anderen Saal Orchesterproben stattfinden. Die doppelte mobile Trennwand erreicht ein bewertetes Schalldämm-Maß von über 65 dB, ein enorm hoher Wert für eine Mobilwandkonstruktion. Zwischen den beiden Wandschalen befindet sich ein ca. 1 m breiter Luftraum. Hier ist auch der Fußboden mit einer durchlaufenden Fuge getrennt. Zur Bauakustik erläutert Michael Prüfer: „ Bei der Schalldämmung ist meist nicht die Trennwand das Problem, sondern die Bauteilumgebung und die Anschlüsse an sie. Deshalb wurde auch die bauakustische Trennung sehr intensiv von uns beraten.“ Da der Probensaal direkt über den Werkstätten des Theaters liegt, waren hier umfangreiche bauakustische Entkopplungen nötig. Im Ergebnis wurde eine konsequente Trennung des gesamten Rohbaukörpers über Bauteilfugen realisiert.

Beim Innenausbau kamen auch hier Wand- und Deckenverkleidungen aus Holz zum Einsatz. Die Verkleidungen wurden zum Teil diffus streuend und schallreflektierend ausgeführt, zum Teil aber auch als schallabsorbierende Elemente mit mikroperforierten Oberflächen. Im Deckenbereich wurden die Elemente leicht gewölbt ausgeführt, um eine gute Schallverteilung zu erzielen. Aber auch hier wurden vom Akustiker nach minutiösen Berechnungen bestimmte Felder mal schallstreuend, mal absorbierend ausgelegt. Auch an den Wänden finden sich bei gleicher homogener Holzoptik unterschiedlichste Flächen: reflektierende Flächen, Tiefenabsorber, Breitbandabsorber etc. Zur variablen Raumbedämpfung sind im Wandbereich auch noch umlaufende Vorhänge vorgesehen.
Fazit: Mit dem Neuen Saal und dem neuen Probensaal im Theater Heidelberg wurden neue Spiel- und Probenstätten geschaffen, die ein hohes Maß an akustischer Planung und Beratung erforderten.