Von Hand.
Fugenlose Akustikdecken bedeuten immer Handarbeit, wie hier das Glätten der organisch gebundenen Schlussbeschichtung. Planeben wie eine Marmorplatte können solche Flächen nie sein.

Akustik 2014-09-23T00:00:00Z Akustik ohne Fugen

Bei der Innenraumgestaltung setzen Architekten heute vielfachauf klare, weite Flächen. Aus akustischen Gründen werden dabei oft fugenlose Absorbersystemean Decken und Wänden angebracht. Der hohe gestalterische Anspruch an „fugenlose Akustik“trifft aber in der Praxis regelmäßig auf technische Schwierigkeiten. – In einem zweiteiligen Berichterläutert Akustikexperte Andreas Niermann diese Herausforderungen. Im ersten Teil gehtes vor allem um die Ansprüche an die Ebenheit der Flächen und Toleranzen.

Zumeist assoziiert man mit dem Begriff „fugenlose Akustik“ schallabsorbierende Decken und Wandverkleidungen, die meist gestalterisch höchsten Ansprüchen gerecht werden sollen. Doch können solche Bauelemente, die als endlose, spiegelglatte, strahlend weiße und in höchstem Grad Schall schluckende Flächen in der Vorstellung sind, den gestalterischen Wunschtraum von Bauherr und Architekt erfüllen? – Auf dem Weg zur Antwort auf diese Fragen sind zunächst die unterschiedlichen Ansprüche der Beteiligten zu formulieren:

Der Bauherr wünscht sich in der Regel eine gestalterisch ideale Lösung – meist eine fugenlose, weiße, ebene und glatte Decke. Die Funktionen sollen unsichtbar hinter einer hochwertigen Oberfläche im Verborgenen liegen, die technische Umsetzung interessiert den Bauherrn meist nicht. Zur grundlegenden Erwartung gehört auch, dass die bauliche Lösung möglichst lange Zeit hält und leicht renoviert werden kann. Erfüllt eine hochwertige Lösung diese hohen Erwartungen, darf sie durchaus mehr als konventionelle Lösungen kosten – verständlicherweise abhängig vom Budget.

Den Investor beschäftigen vornehmlich Budget, Termine und die Wirtschaftlichkeit des fertigen Objekts. Hochwertige Lösungen sind nur bei entsprechend ausgestattetem Etat möglich. Er sucht die optimale wirtschaftliche Effizienz und die nachhaltigste Lösung.

Den Architekten kümmern vorrangig gestalterische Belange, allerdings im Zusammenspiel mit umfassenden technisch richtigen Lösungen. Abgehängte Unterdecken werden dann erforderlich, wenn Haustechnik im Deckenhohlraum installiert werden muss. Gestalterisch wird er in einem Großraumbüro oder einer Betriebskantine noch eine Rasterdecke mit sichtbarer Tragkonstruktion und Einlegeplatten akzeptieren. In anspruchsvollen Kulturgebäuden, Vortragssälen, Foyers, Hotellobbys und hochwertigen Bürogebäuden wird er jedoch fugenlose Deckensysteme favorisieren.

Vier Varianten für die Fläche und zwei für die Beschichtung

Der Fachplaner, in diesem Rahmen der Akustiker, trägt die Verantwortung für die schalltechnische Gestaltung. Ein ausgewogener, harmonischer Frequenzgang der Schallabsorption auf mittlerem bis hohem Niveau führt in der Regel zu guten Resultaten bezüglich Hörsamkeit, Schallverteilung im Raum, Bedämpfung, Lärmminderung, Klang und Nachhallzeit. Die optische Gestaltung der Deckensysteme ist für ihn zunächst sekundär.

Dem Ausbauhandwerk obliegt es nun, die Erwartungen, Wünsche, Gestaltungsideen und die technischen Vorgaben in die Realität umzusetzen. Das Trockenbaugeschäft ist hart umkämpft. Daher stehen die Produkt- und Systemsicherheit für den Handwerker gleichauf mit einfacher Verarbeitung weit oben auf der Prioritätenliste. Systeme, mit denen nicht nur gute Umsätze, sondern auch hohe Margen erzielt werden können, werden bevorzugt. Die besten Systeme sind dauerhaft auch jene, von denen man nach Bauabnahme und nach Ablauf der Gewährleistungsfristen nichts mehr hört.

Systemaufbau

Bei der Auswahl von „fugenloser Akustik“ wird meist vorrangig die Gestaltung des Produkts berücksichtigt. Funktionale Eigenschaften wie Schallabsorption, Brandschutz o. Ä. werden als selbstverständlich vorausgesetzt. Doch welche grundlegenden Konstruktionen und Beschichtungen gibt es im Markt? Dazu im Folgenden ein kleiner Überblick:

Fugenlose Decken und Wandverkleidungen bestehen zum Ersten wie übliche Unterdecken aus einer Unterkonstruktion aus Metallprofilen samt Abhängern und Randprofilen sowie der Beplankung nebst Beschichtung. Die Unterkonstruktion wird am Bau montiert und sichtseitig mit Platten bekleidet. Die Beplankung kann aus gelochten, mit Vlies kaschierten Gipskartonplatten oder aus Platten aus Blähglasgranulat bestehen. Abschließend wird fugenlos beschichtet (siehe Abbildung 1).

Zum Zweiten gibt es am Markt Systeme ohne Unterkonstruktion als monolithische Aufbauten mit deckender Farbbeschichtung. Dabei bildet die Trägerplatte den Absorber. Varianten davon bestehen aus Sandwichplatten mit Mineralwolle und Decklage, aus Melaminharzschaum oder aus dicken Platten aus Blähglasgranulat, die vor Ort am Bau beschichtet werden. Derartige Systeme benötigen einen glatten, ebenen und geschlossenen Untergrund, wie Betondecken oder verputztes Mauerwerk. Wird am Bau ein Hohlraum oberhalb der Konstruktion benötigt, so muss eine zusätzliche, geschlossene Gipskartondecke montiert werden. Somit sind in bestimmten Fällen zwei aufwendige Aufbauten erforderlich, mit entsprechenden Konsequenzen für Bauzeit und Kosten.

Als Drittes sind schallabsorbierende Putze ebenfalls zu den fugenlosen Decken zu zählen – wenn man den architektonischen Eindruck als Maßstab anlegt. Hier sind organisch, silikatisch und mineralisch gebundene Beschichtungen zu nennen, welche durch Fasern oder Perlite als Zuschläge und Füllstoffe Poren bilden und dadurch Schall schlucken können.

Eine Besonderheit bildet die vierte Version. Es gibt „fugenlose Akustik“ auch bei thermisch aktiven Massivdecken aus Beton, und zwar in Verbindung mit absorbierenden Abstandshaltern für die Bewehrungseisen. Diese Absorberstreifen werden auf etwa 250 mm Achsmaß einbetoniert, unterseitig bleibt der poröse Streifen frei und wird farblich beschichtet oder porös überputzt. Dazu werden die Produkte verwendet, die auch auf den zuvor genannten Versionen zum Einsatz kommen.

Die Deckbeschichtung wird am Bau in einer Variante mit pastösen Materialien von Hand aufgebracht oder gespritzt, abschließend wird geglättet. Die sehr feine Beschichtung, mit mineralischen Zuschlägen kleiner als 1 mm, ist häufig organisch gebunden. Daraus ergibt sich üblicherweise eine feste, putzähnliche Beschichtung mit einer Anmutung ähnlich weißem Sandstein, durch die besonderen Zuschläge auch mit feinem, glitzerndem Marmoreffekt. Diese Beschichtung ist für homogene Platten, in der Regel aus Blähglasgranulat, vereinzelt auch für solche aus Melaminharzschaum geeignet.

Andere Beschichtungen, z. B. solche mit Zellulosefasern stark gefüllten Dispersionen ohne besondere Porenbildner, sind häufig luftdicht und verhindern damit hohe Schallabsorption, selbst wenn sie nur dünnschichtig auf gut absorbierenden, dicken Trägerplatten verarbeitet werden.

Die Herausforderung an den Hersteller besteht darin, glatte Beschichtungen porös zu gestalten, sodass Schallabsorption möglich ist. Dies erfordert spezielle, sehr aufwendige Rezepturen und sorgfältigste Verarbeitung. 

Diskussionspunkt Toleranz: Glatt ist nicht eben

Soll eine hochwertige Oberfläche erzielt werden, so muss der Untergrund entsprechende Qualität aufweisen. Die Definition der Ausführungsqualität muss eindeutig sein und klar zwischen den Vertragspartnern festgelegt werden. Wenig hilfreiche Begriffe wie malerfertig, anstrichbereit, oberflächenfertig, tapezierfertig oder gar streiflichtfrei geistern noch überall durch die Ausschreibungen. All diese Begriffe sind ohne Richtwerte mit Toleranzen wertlos! Wonach sollen sich Architekt, Handwerker und Bauherr also richten?

Systeme ohne Unterkonstruktion
Absorbierende, fugenlose Deckenfläche in einer Kirche mit Akustikspritzputz. Hierbei sind organisch, mineralisch und silikatisch gebundene Beschichtungen möglich.

Zur Beurteilung des Untergrundes samt Toleranzen wird DIN 18202 (DIN 18202 Toleranzen im Hochbau – Bauwerke, 2013- 04) herangezogen. Tabelle 2 der Norm besagt, dass nach Zeile 7 flächenfertige Wände und Unterseiten von Decken, selbst mit erhöhten Anforderungen, auf 1 m Messpunktabstand mit einem Stichmaß von immer noch 3 mm aus der Ebenheit der Fläche abweichen dürfen – und trotzdem noch normgerecht sind! Auf 0,1 m Abstand dürfen es 2 mm sein! Das ist niemals ebenmäßig genug für „fugenlose Akustik“ und führt zu Reklamationen. „Keine Toleranz!“, das wird oftmals gefordert. Lässt sich diese Forderung einfordern, vertraglich festschreiben und umsetzen? – Noch ein Wort zum Begriff streiflichtfrei: Die Formulierung muss lauten: Frei von Schlagschatten bei einfallendem Streiflicht. Aber Vorsicht: Kann der Anspruch realisiert werden?

Ein Ansatz ist die architektonische Funktion, die eine fugenlose Akustikdecke oder eine Wandverkleidung zu erfüllen haben: Beide bilden einen Raumabschluss aus leichten Bauteilen. Ein solcher „leichter“ Raumabschluss wird mit anderem Anspruch auch aus Gipskartonplatten hergestellt. Im Merkblatt Nr. 12 (BFSMerkblatt 12 Oberflächenbehandlung von Gipsplatten (Gipskartonplatten) und Gipsfaserplatten, 2007-07) wird auf die Oberflächengüte eingegangen.

Danach wird die Qualität der Spachtelung im Wesentlichen vom gewünschten Aussehen der Oberfläche bestimmt. Es werden die Qualitätsstufen Q1 bis Q4 definiert, mit Q2 als Standard. Die Oberflächengüte wird nach Tabelle 2, Zeile 2 des BFS-Merkblatts 12 durch Augenschein geprüft. In Abschnitt 4.1, Absatz 2, wird darauf hingewiesen, dass in Räumen mit indirekter Beleuchtung oder Streiflicht bei nicht strukturierten Beschichtungen eine Standardverspachtelung (Q2) nicht ausreichend ist. Eine ausreichende Oberflächenqualität wird gegebenenfalls mit Q3 bis Q4 erreicht. Die Beleuchtungsverhältnisse, wie sie bei der späteren Nutzung vorgesehen sind, müssen grundsätzlich bekannt sein. Sie sollten zweckmäßigerweise bereits zum Zeitpunkt der Verspachtelung gegeben sein.

Pastöse Beschichtungen von Hand appliziert lassen nur Q2 zu

Die Klassifizierung der Oberflächenqualität sieht nach Anhang zum BFS-Merkblatt 12, Tabelle A1, vor, dass für Stufe Q2 die Plattenstoßfugen verfüllt, nachgespachtelt und ggf. zu schleifen sind, ebenso wie die Befestigungsmittel. Für die höheren Stufen Q3 und Q4 sind die Spachtel- und Klebefugen breit auszuspachteln und scharf abzuziehen, ggf. ist nochmals zu schleifen. Bei Stufe Q4 ist die gesamte Fläche sogar vollflächig mit Spachtelmasse zu überziehen, zu glätten oder abzustucken. In den Fußnoten heißt es weiter, dass selbst bei Stufe Q3 für erhöhte Anforderungen an die Oberflächenqualität bei Streiflicht sichtbar werdende Abzeichnungen nicht vollständig auszuschließen sind. So weit die Theorie! Wo sind die Grenzwerte und Toleranzen?

Muss man also bei „fugenloser Akustik“ immer die höchste Qualitätsstufe Q4 für höchste Anforderungen an die Oberflächenqualität anlegen? Ist diese Qualität überhaupt herstellbar? Das BFSMerkblatt 12 weist darauf hin, dass auch bei höchster Qualität Q4 unerwünschte Effekte – wechselnde Schattierungen der Oberfläche, minimale örtliche Markierungen – nicht vollständig auszuschließen sind, da Lichteinflüsse in einem weiten Bereich variieren und nicht eindeutig erfasst und bewertet werden können.

Vergleich
Bei pastösen Beschichtungen wie fugenlosen Akustikdecken, von Hand appliziert und geglättet, kann maximal die Oberflächenqualität erzielt werden, die bei vergleichbaren GK-Bekleidungen in Stufe Q2 erreicht werden kann, also ohne Schleifarbeit (linkes Feld Akustikdecke – rechtes Feld Q3-GK-Decke).

Es zeigt sich, dass selbst höchste Handwerkskunst und der größte Aufwand, auch in Konformität mit geltenden Normen, keine großflächig ebenen Flächen von Beplankungen auf Unterkonstruktion ermöglichen, selbst wenn die Oberfläche vielfach gespachtelt, abgezogen und geschliffen wurde – und damit glatt ist. Eine Leichtbaukonstruktion, wie eine Gipskartonbekleidung oder eine fugenlose Akustikdecke, kann zwar glatt, aber nicht so ebenmäßig wie eine kalibrierte, polierte Marmorplatte oder gar wie der sprichwörtliche Spiegel „spiegelglatt“ hergestellt werden. 

Bei der Beurteilung von „fugenloser Akustik“ an Wand oder Decke ist ein wichtiger Aspekt zu berücksichtigen. Wird nämlich eine poröse Endbeschichtung in Form pastöser Produkte mehrlagig von Hand aufgebracht, klassisch mit Kelle, Traufel und Glätter, so muss aus akustischer Sicht erreicht werden, dass diese schalldurchlässig ist, um die Absorption aufrechtzuerhalten. Derartige Beschichtungen dürfen systembedingt nicht geschliffen werden, da sich sonst die Poren mit Schleifstaub zusetzen. Durch Schleifen würde der Strömungswiderstand drastisch ansteigen, die Oberfläche wäre dicht und in der Folge würde die Absorptionsfähigkeit weitgehend verloren gehen – die fugenlose Akustikbekleidung wäre wirkungslos.

Mit pastösen Beschichtungen, von Hand appliziert und geglättet, kann also maximal die Oberflächenqualität erzielt werden, die bei vergleichbaren Gipskartonbekleidungen in Stufe Q2 erreicht werden kann, also ohne Schleifarbeit. Alles darüber hinaus setzt voraus, dass die Beplankung und die Unterkonstruktion bereits glatt und eben sind. Die Endbeschichtung kann nicht dazu genutzt werden, vermeintliche (!) Mängel im Untergrund auszugleichen. Also ist bei der Montage von Unterkonstruktion und Beplankung höchste Genauigkeit und Sorgfalt anzulegen, wenn eine hohe Oberflächenqualität erreicht werden soll.

Die Anforderungen an die Handwerkskunst und Produktqualität steigen weiter, wenn gekrümmte Flächen gefordert werden, in einem Zug, ohne Kante, Knick und Wellen.

Quellen

  • BFS-Merkblatt 12 Oberflächenbehandlung von Gipsplatten (Gipskartonplatten) und Gipsfaserplatten (2007-07)
  • DIN 18202 Toleranzen im Hochbau – Bauwerke (2013-04)

Autor
Dipl.-Ing. (FH) Andreas Niermann ist Bauphysiker und Akustiker. Er leitet das Segment Akustik bei der Sto SE & Co. KGaA am Firmensitz in Stühlingen.

Der Text ist eine Zusammenfassung des Vortrags, den Andreas Niermann auf dem 9. Akustik-Forum Raum und Bau am 18. Oktober bei Müller BBM in Planegg bei München gehalten hat. 

Jetzt Akustik ohne Fugen Teil 2  lesen >>>

Teil 2 des Berichts beschäftigt sich mit der akustischen Wirksamkeit von fugenlosen Akustikkonstruktionen sowie dem Zusammenspiel von Haus- bzw. Klimatechnik und fugenlosen Oberflächen.

zuletzt editiert am 23. Februar 2022